Meine erste Reise nach Berlin machte ich als Schüler der Berufsoberschule Nürnberg circa im Jahr 1968. Die Mauer war damals Realität und wir durchquerten die Zone respektvoll ängstlich, da wir nie wussten, ob denn nicht doch zwischendurch Grenzer unseren Bus erneut durchsuchen würden. Wir waren für die ja wilde westliche Gestalten und natürlich gab es unter uns besondere Typen, die richtig gefilzt wurden. Schon aus geschichtlichen Gründen besuchten wir damals auch Ostberlin und haben so die Realität der Teilung Deutschlands hautnah erlebt. Ich war auf jeden Fall heilfroh, als wir wieder im Westen und zu Hause waren.
Was ich mir nie vorstellen konnte und ich mich immer geweigert hatte zu glauben, ist dann 1989 Wirklichkeit geworden. Die Mauer war gefallen. Trotzdem, die Glücksgefühle der Ostler teilte ich damals schon nicht, denn ich wusste ja, wie die Realität im Westen ist und war. Aber die erreichte Freiheit ist Grund genug, stolz auf dieses Land zu sein. Zwischenzeitlich waren wir noch zweimal in Berlin und nun erneut mit den „Good-News-Singers-Erlangen“ für unser Konzert in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Im Jahr 1968 tatsächlich noch Ruine ist der Wiederaufbau nun fast abgeschlossen, wenn man die permanent notwendigen Sanierungsarbeiten mal außer Acht lässt. Wenn man als Tourist den Kirchenraum betritt, ist man beeindruckt von der Strahlkraft der blauen Mosaikfenster die ihren maximal möglichen Kontrastpunkt in der goldfarbenen Christusstatue erhalten. Für Fotografen ist dies eines der Highlight, die man in Berlin erblicken kann. Aber der echte Höhepunkt ist natürlich, wenn man in dieser Kirche auftreten darf. Schon während unserer Probe haben sich Touristen niedergelassen und herzlichen Applaus gespendet, auch wenn wir viele der Lieder nur angesungen haben. Obwohl die Kirche dann am Abend nicht randvoll gefüllt war, haben wir alle unser Bestes gegeben und dafür auch den verdienten Applaus erhalten.
Während das erste Bild vor dem Auftritt unter Zeitdruck schnell im Automatikmodus gemacht wurde (ISO1600, f/2,8 1/4 s.) habe ich hinterher ein wenig experimentiert und freihändig mit Wischeffekten die Farbstimmung der nächtlichen Szenerie eingefangen. Ãœbernachtet haben wir im Hotel „Grenzfall“ (welch ein Name für diesen historischen Ort). Als wir dann am nächsten Morgen zur Stadtrundfahrt aufgebrochen sind, wurde die Bedeutung dieses Ortes sofort sichtbar. Da war es wieder dieses Bild der Mauer wie im Jahr 1968. Mit Grenzturm und Todesstreifen. Ein wirklich gelungenes Stück Geschichte sichtbar gemacht für die heutige und zukünftige Generationen in der „Gedenkstätte Berliner Mauer“ direkt entlang der Bernauer Straße. Ein weiteres Stück Mauer findet sich in der „East-Side-Gallery“, wo internationale Künstler die dortigen Mauerreste mit symbolischen Motiven bemalt haben. Gerne möchte man länger verweilen an diesen historischen Orten und noch mehr Fotos machen, aber leider muss die Stadtführung termingerecht weiter gehen. Was mir aufgefallen ist, war, dass sich hinter der alten Mauer neue noch größere Mauern aufbauen in Form von Werbeplakaten, die ganze Häuserfassaden bedecken (wenn auch nur temporär an den Gerüsten).
Gedenkstätten gibt es in Berlin natürlich zuhauf. Für mich immer wieder beeindruckend ist die „Neue Wache“ mit der Bronzefigur der Mutter mit dem toten Sohn von Käthe Kollwitz die an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft erinnert. Neu war diesmal für mich das Denkmal zum Gedenken an die Bücherverbrennung im Jahr 1933 am heutigen Bebelplatz. Die Aufnahme ist real, aber in meiner Interpretation zum Thema wollte ich brennen des Feuers (trotz des Regens an diesem Tag) sichtbar machen. Ein weiteres Denkmal, das viele Touristen vielleicht nur aus dem Bus heraus wahrnehmen oder auch mal nur durchqueren ist das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas„. Wir hatten eine Führung gebucht und das hat uns Informationen gebracht, die uns hier vieles mit anderen Augen hat sehen lassen. Das wollte ich auch in meinen Bildern zum Ausdruck bringen und habe die sauber ausgerichteten statischen Blöcke durch die Bewegung der Kamera selbst in Bewegung gesetzt. Jeder Blickwinkel bringt hier andere Aspekte und Gedanken in die Bilder rein. Die nächtliche Aufnahme wirkt fast friedhofsmäßig (das rechts ist ein Baum, der sich mit einem Stein zum Kreuz formt), aber die Lichter am Horizont deuten die Spuren eines heraufziehenden Ereignisses an. Die Aufnahmen am Tag zeigen dann das Beben des Holocausts, die die Blöcke in den tiefen Schluchten einzustürzen drohen, während der Mensch hilflos flieht. Erst das letzte Bild beruhigt wieder, zeigt aber einen tiefen Riss in dem Quader, der für mich als ein Symbol für das „Tausendjährige Reich“ steht, das gerade mal 6 Jahre überstanden hat. Wie wird es wohl mit diesem Denkmal weiter gehen, das nun ebenfalls nach nur 10 Jahren zu bröckeln beginnt? Ein weiteres unscheinbares Denkmal, an dem viele Touristen wahrscheinlich achtlos vorbeigehen (weil es ja schon ein wenig abseits liegt und man es erst gezielt suchen muss) ist das „Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma„. Ein eher unspektakuläres Denkmal. Durch die Gestaltung des Fotos in schwarz-weiß mit anschließender Sepia-Tonung wollte ich bewusst einen Bezug herstellen zu der braunen Ideologie des Dritten Reiches. Möge sich der Hass auf Minderheiten, der heute teilweise wieder sichtbar wird, nicht wiederholen.