Lieder eines SĂĽnders. 31. Ella.
Gedicht von Hermann Conradi

Wär‘ ich ein And’rer doch und leicht’ren Sinnes!
Dann liebt‘ ich dich vielleicht und deine Schönheit!
Und deiner Augen heiterernstes Dunkeln
Umschlösse eine Welt, draus keine Pfade
Abseits in lockende Bezirke fĂĽhrten . . .

Ich lebte nur in dir – und meinen Träumen
Gäbst du allein Bestand und Tiefsinn – Säumen –
Ein dauernd Währen und ein groß Behalten,
Drin sich erschließt ein göttliches Entfalten . . .
Ich liebte dich allein und deine Reinheit,
Drin sich begräbt des Lebens Grundgemeinheit,
Draus sich gebiert ein ernstes Sondertrachten –
Ein Menschenlieben und ein Weltverachten! –

Wär‘ ich ein And’rer doch und leicht’ren Sinnes!
So aber bin ich schon gemĂĽnzt und leider
Hab‘ ich mich unbefreibar festgebissen –
Mich vollgetränkt mit galligen Essenzen,
Die wahrlich keine Freunde von Begrenzen!
Ja! Schrankenlos ist meiner Seele Streben –
Unstät und ruhelos mein armes Leben . . .

Dir mögen gĂĽt’ge Götter Rosen streuen –
Dich einen Traum des Lebens träumen lassen,
Drin sich verknĂĽpft verzeihend Welterfassen
Und keusches, lichtverklärtes Daseinsfreuen . . .
Dir mögen gĂĽt’ge Götter Wolken breiten, –
An goldenem Gespinnst dich heimgeleiten . . .

Hermann Conradi (* 12. Juli 1862 in Jeßnitz (Anhalt); † 8. März 1890 in Würzburg)

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