Jede Stunde ist Tochter und Mutter zugleich
Und macht uns arm, und macht uns reich.
Und immer öffn‘ ich von neuem die Tür:
„Tritt ein, du Stunde, was bringst du mir?“
Sie schaut mich an: „Mich hab‘ ich gebracht;
So hab‘ ich dein Leben reicher gemacht.“ –
„Und ärmer!“ schrei ich. Sie nickt und geht.
Die Tochter schon auf der Schwelle steht.
„Du, deine Mutter an mich vergaß!
Bring du mir endlich …“ Ernst fragt sie: „Was?“
– „Das Leben!“ fleh‘ ich. Da geht sie schon:
„Vielleicht weiß meine Tochter davon.“
Und Kommen und Gehn und Kommen und Gehn,
Kann kaum mehr an der Türe stehn,
Und da schlürft noch eine Stunde herein,
Und die wird nimmermehr Mutter sein …
Hugo Salus, 1866 – 1929